Der Name Dominik Brunner dürfte so ziemlich allen Deutschen mittlerweile ein Begriff sein. Zumindest für diejenigen, die nicht komplett medial abstinent sind. Von daher scheint es etwas überflüssig, wenn ich davon berichte, wie der 50-jährige Manager im September letzten Jahres bei dem Versuch, vier Schüler vor zwei älteren Jugendlichen zu schützen auf tragische Weise totgeschlagen wurde.
Brunners beherztes Eingreifen brachte ihm einen eigenen Wikipediaeintrag, derzeit 1772 Google-News-Treffer ein. Sogar sogar das Bundesverdienstkreuz und auch die öffentliche Würdigung unserer Bundeskanzlerin wurde ihm zuteil. Doch derzeit machen Befunde aus Obduktionsgutachten, welches im Zuge des Gerichtsverfahrens an die Öffentlicghkeit gelangte, Schlagzeilen. Und plötzlich mehren sich Artikel, die etwas skeptischer auf die Ereignisse blicken. War Brunner nicht vielleicht zu forsch, zu sehr auf Konfrontationskurs? So oder ähnlich gehen die Überlegungen. Angesichts der öffentlichen Resonanz der letzten Monate sicher nicht verwunderlich: Ein Thema, was bereits für ordentlich Klicks und vielleicht auch Zeitungskäufe und Einschaltquoten gesorgt hat, rentiert sich in aller Regel auch ein zweites Mal – wenn neue (oder vermeintlich neue) Aspekte dieses reaktualisieren und rekontextualisieren. Auf welche Seite man sich dabei als Redaktuer schlägt, ist im Grunde zweitrangig, abgesehen vielleicht von dem Gebot der Einhaltung der vom Leser-Klientel befürworteten moral-politischen Grundtendenz.
Nun sind schon wieder zwei Absätze mehr über Brunner im Web. Wie aber sieht es aus mit dem Namen Okoronkwo? Hat den hier schon mal wer gehört, vielleicht irgendwo aufgeschnappt? Vermutlich nicht. Denn das war und ist gar nicht so leicht. Auf den Titelseiten der großen, überregionalen Blätter und Seiten zu sehen war er zunächst jedenfalls nur vereinzelt. Auch nicht bei der Tagesschau, bis heute übrigens. Bei Google News erzielt die Suche (wie bei Brunner mit Vornamen: Emeka) nur einen (!) einzigen Treffer. Und auch die Suche nach dem Nachnamen allein liefert gerade einmal 65 Hits (wobei davon wohl so gut wie alle gleichnamigen Ex-Hertha-Spielr zu verdanken sind) . Nun, ich nenne ihn in diesem Artikel mit vollem Namen: Emeka Okoronkwo. Auch wenn Google-News das herzlich wenig interessiert.
Mittlerweile habe ich einiges über den jungen Mann nigerianischer Abstammung gelesen. (Dank der Web-weiten Google-Suche.) Beziehungsweise über die von ihm bewiesene Zivilcourage, die dem 21-jährige Anfang Mai diesen Jahres zum tötlichen Verhängnis wurde. Am frühen Morgen geschah es, Emeka war auf dem Heimweg von einer Feier. Im Frankfurter Bahnhofsviertel wurde er Zeuge, wie zwei junge Frauen von zwei ebenfalls aus Afrika stammenden Männern beschimpft, bespuckt und (verbal) sexuell belästigt wurden. Als Emeka dazwischengehen möchte, wird er von einem der Täter mit einem Stich ins Herz tödlich verletzt.
Viele der Atikel, die ich gelesen habe, bringen den Fall in direkten Zusammenhang mit Brunner und dem Medienwirbel, den der Fall auslöste. Aufmerksam wurde ich durch einen Artikel auf dw-world.de (Deutsche Welle). Hier wird eine Politikerin zitiert, die daran erinnert, dass „der Fall Brunner“ sich nur kurz vor den bundesweiten Wahlen ereignete. Für die Kanzlerkandidaten und ihre Parteikollegen natürlich eine wunderbare Gelegenheit, sich moralisch zu positionieren – und zu profilieren. Und an solchen Formen des Politainments haben die Medien natürlich immer ein reges Interesse.
Vermutet wird außerdem, dass Okoronkwo aufgrund seiner Abstammung bzw. Herkunft nicht denselben moralischen Vorzeigeeffekt habe wie Brunner und dass zusätzlich die Uhrzeit und Gegend Voruteile beim Rezipienten wecken würden. Deshalb, so der Vorwurf, ignorierten die meisten Medien den Vorfall. Dabei kommt es noch immer auf die Art und Weise der Berichterstattung an, wenn es um die Beurteilung des dargestellten Sachverhalts durch den Leser geht. Sind die deutschen Zeitungen hier zu scheu, zu quotenorientiert, zu kommerziell?
Ich fände es jedenfalls sehr schade, wenn tatsächlich die Herkunft Okoronkwos die mediale Aufmerksamkeit verhindert. Denn dies wäre ein Armutszeugnis für den deutschen Journalismus generell.
Wer den couragierteren Websites ein wenig Traffic bescheren möchte, kann sich hier Näheres zum Fall Emeka Okoronkwo durchlesen:
- Deutsche Welle (Englisch)
- Welt Online (Mit einem Foto von einem Foto von Okoronkwo und einer 7-bildrigen Slideshow zu Brunner)
- Frankfurter Rundschau (Hier gibt es, wohl wegen des regionalen Bezugs, gleich ein paar mehr lesenswerte Artikel und Kommentare)
- Bronski – das Blog der Frankfurter Rundschau (Ein Blogeintrag zur Frage nach der medialen Resonanz im Vergleich zu Brunner, der einen Leserbrief abdruckt und bespricht. Recht aufschlussreich)
Anmerkung: Diesen Artikel habe ich am 30.07. 2010 editiert, da Brunner derzeit wieder sehr häufig für Schlagzeilen sorgt.